22.4. Hochzeitseinladung

 

Mariella, die Kusine von Dolores, hatte mich zu einer Hochzeitsfeier eingeladen. Die Tochter ihrer Kusine, Karin, heiratete.

 

Schon am Tag zuvor durfte ich mit zum Haus der Braut und ihrer großen Familie, um bei den Vorbereitungen mitzuhelfen. Die Unternehmung war recht vergnüglich: Wir richteten die Blumengestecke her und ich lernte, Blätter kunstvoll dekorativ zusammenzustecken. Reine Frauenarbeit! Wir unterhielten uns dabei über allerlei – über Guatemala aber auch über andere Länder. So war Angela, die Brautmutter, bereits in Spanien gewesen, weil dort eine Verwandte lebt. Es entwickelten sich interessante Gespräche, die über meine übliche Begründung meines Hierseins hinausging. Anschließend Abendbrot in der Küche.   Dort war gerade das Hochzeitsessen für 200 (!!!) Personen gekocht worden. Mich fasziniert es, mit welcher Lässigkeit und mit welch einfachen Mitteln hier so eine gigantische Aufgabe bewältigt wird. Es helfen halt alle mit.

 

Die Familie betreibt seit 3-4 Generationen eine ziemlich gut laufende Bäckerei. Sie beliefern die bekannte Bäckerei „Momostipan“ – mein Lieblingscafé, in dem ich gleich wieder diese Berichte runterladen werde. Die Familie lebt also in einigermaßen guten finanziellen Verhältnissen – vermute ich. Jedenfalls ist das Haus riesengroß. Allerdings – auch hier fühle ich mich ins Mittelalter zurückversetzt: Holzofen ohne Abzug (Im Dach sind Lücken, durch die der Rauch abziehen kann) Lehmwände, Dunkelheit da kaum Fenster. Irre. Müll – auch Plastikflaschen (!!!) werden einfach ins Feuer geworfen, über dem gerade das Essen schmurgelt! Mann!!! Wisst ihr nicht, dass das giftig ist??? Wie kann man so unreflektiert die eigene Gesundheit und die der Familie riskieren! Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht unreflektiert.  Für die Leute hier ist das ganze einfach die einfachste Art der Müllentsorgung. Wer für Tätigkeiten, die es bei uns gar nicht gibt, (Wasserschleppen, Holzschleppen, Lastenschleppen, Wäschewaschen) quasi den ganzen Tag und sehr viel Kraft aufwenden muss, der macht es sich halt in anderen Bereichen so leicht wie nur möglich. Dass die Gesundheit dabei auf der Strecke bleibt, ist entweder nicht bekannt oder in diesem Fall eben nicht so wesentlich. Ich beobachte dies jedoch immer wieder mit neuem Entsetzen.

 

Nun aber zu etwas Schönem: die Hochzeit von Karin und Jackson.

 

Bereits am Morgen holte mich Mariela ab, um dem Herrichten der Braut zuzusehen. Da gab es allerdings nicht viel zu sehen, also begrüßte ich erst einmal die Frauen in der Küche, trank einen Tee und setzte mich dann in den Garten, um den Tieren und Kindern zuzusehen. Ehrlich gesagt müsste man Garten mit „ “ schreiben – es ist eher ein Hof, in dem alles Lebende herumläuft. Hunde, Kinder, Küken, Hühner, Hähne, Katzen. Leider sieht man auch hier viel Müll. Das scheint die Leute einfach nicht zu stören – auch in den eigenen 4 Wänden nicht – umso weniger außerhalb. Ich unterhielt mich mit Jaqueline, einer der vielen Kinder. Sie zeigte mir die Tiere und ihr Englischheft – letzteres voller Stolz. Und sie frage mich nach englischen Wörtern aus.

 

Nach etlicher Zeit – gegen 10.30 Uhr (Die Hochzeit war für 10.00 Uhr angesetzt) machten wir uns auf den Weg zum Salon – dieses Mal verdient der Ort diesen Namen. Die große Halle war wundervoll geschmückt (s.Photo). Es sammelten sich immer mehr Gäste – nur die Braut fehlte. Die war ja auch noch in keinster Weise fertig, als wir ihr Haus verließen! Typisch deutsch stellte ich die Verspätung fest, die aber offenbar keinen störte. Also auch mich nicht.

 

Nach weiterer einstündiger Wartezeit kam sie – das Warten hatte sich gelohnt – wunderschön in fließendem weißen Gewand, die Haare hochgesteckt und mit Blumen geschmückt. Der Bräutigam nicht weniger schmuck in seinem schwarzen Anzug und Blumenschmuck im Jackett.

 

Unter Musikklängen schritt das Brautpaar mit der engsten Familie ein – begleitet vom Applaus der Gäste. Nach Begrüßungsworten und der Bitte um göttlichen Beistand begann die Trauzeremonie. Das Paar ließ sich übrigens (nur) standesamtlich trauen. Eine kirchliche Trauung ist erst nach 6 Monaten möglich. Ich vermute, damit das Paar sich auch ganz sicher ist, dass es das kirchliche Gelöbnis eingehen möchte.

 

Ähnlich wie bei uns hielt der Standesbeamte eine Rede, zu dem Wohl und Wehe der Ehe. Was mir sauer aufstieß war der Satz, dass in Guatemala ja Gottlob die frevelhafte Eheschließung von gleichgeschlechtlichen Menschen nicht möglich sei. In einem Nebensatz etwas abzutun, was für uns eine hart erkämpfte Errungenschaft der modernen Gesellschaft ist, ein Ausdruck von Toleranz und Offenheit, tut schon weh. Aber hier ist eben Vieles anders. Die Verbundenheit zur Kirche und zu Gottes Wort ist bei vielen sehr ausgeprägt. Die Bibel ist Lebensrichtlinie; der Glaube Kraftspender und Trost.

 

In der Rede ging es aber auch um die Rechte und Pflichten der Eheleute. Besonders angesprochen wurden die Rechte der Frau. Fand ich wieder gut. Und dass der Mann das Einkommen für die Familie verwenden soll und nicht in erster Linie zu seinem Vergnügen. Hierbei kam jedoch auch sehr deutlich die traditionelle Rollenvertreilung von Mann und Frau zur Geltung: Der Mann als Geldverdiener – die Frau als Mutter und Hausfrau. Allerdings – wie soll es auch anders gehen, bei 5-8 oder mehr Kindern und immer einem Kleinkind am Rücken und einem Säugling an der Brust?

 

Nach der langen Rede folgte die eigentliche Trauung mit Eheversprechen, Ringtausch und Unterschriften im Ehevertrag. Hier sind Trauzeugen noch verbindlich – bei uns ja leider nicht mehr. (Was ich schade finde.)!

 

Danach folgten etliche weitere Reden und nicht nur mir fing der Magen an, heftig zu knurren. Das Knurren wurde immer lauter, da mir tatsächlich bei ca. 200 Gästen erst als letzte gereicht wurde! Dabei saß ich genau neben der Austeilstelle. Das war schon Folter pur! Aber die Hühnchenschenkel und der Reis schmeckten dann umso wundervoller.

 

Nach dem Essen wurde getanzt. Leider nicht mit mir, da ich keinen Tanzpartner hatte. Entgegen meiner deutschen Eigenart, in einem solchen Fall einfach alleine auf die Tanzfläche zu springen, hielt ich mich dezent im Hintergrund. Ich falle schon genug auf – in der ganzen Umgebung.

 

Auf die Hochzeitstorte und den weiteren Verlauf der Hochzeit verzichtete ich. Im Saal war es sehr warm, am Tisch entstanden trotz meiner Versuche keine längeren Gespräche und mir lag das Essen schwer im Magen. Also lieber nach Hause, ein Schnäppschen trinken und diese Berichte schreiben!